Diese Worte stehen in einem Brief, den Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, der überragende Kenner und Erforscher von Sprache und Kultur des antiken Griechenland, am 30. 12. 1896 an Althoff richtete. Mit dem nun ausklingenden Jahr konnte er hochzufrieden sein. Schließlich waren ausgedehnte Bemühungen um seinen Wechsel von Göttingen in die Hauptstadt dank Althoff zu einem glücklichen Ende gelangt, und der Antritt des Berliner Ordinariats war mit einem wahrhaft goldenen Handschlag besiegelt worden. Dem Gräzisten wurde ein Jahresgehalt von 15.000 Mark zugesagt – ein sensationeller Betrag, wenn man sich vor Augen führt, dass im damaligen Preußen viele ordentliche Professoren mit einem Drittel dieser Summe zufrieden sein mussten.

Mit diesem Ausnahmegehalt wurde dem Rang Rechnung getragen, den Wilamowitz als Forscher und Hochschullehrer einnahm, aber es war zugleich auch ein Tribut an die Tatsache, dass auf der Prestigeskala der Disziplinen im Deutschland der Althoff-Zeit die Altertumswissenschaften ganz oben standen. Althoff arbeitete darauf hin, einige der besten Köpfe dieses Gebietes in Berlin zu versammeln und diese Stadt zu einem, wie man heute vielleicht sagen würde, „Exzellenzzentrum“ für Altertumswissenschaften auszugestalten. Dafür hatte er auch und vor allem Wilamowitz im Visier. Schon ganz am Anfang seiner Dienstzeit im Kultusministerium war er wesentlich daran beteiligt, dass der hochbegabte junge Forscher und Hochschullehrer 1883 von Greifswald nach Göttingen kam. Hier fällt der amerikanische Gelehrte William Calder III, in der Wilamowitz-Forschung eine Autorität von Weltrang, ein unzweideutiges Urteil: „Wilamowitz betrat die Weltbühne seiner Erfolge nicht mit Hilfe seiner preußischen Kollegen, der Männer, die am ehesten fähig waren, seine überragende Leistung zu beurteilen, sondern trotz seiner preußischen Kollegen, gefördert durch Althoffs kompromißlose Überzeugung von seiner überragenden Bedeutung“. Er wagt auch eine Vermutung darüber, wie es Wilamowitz ohne Althoff ergangen sein könnte: „Vermutlich hätte Wilamowitz ohne Althoffs Förderung als ein brillanter Exzentriker im provinziellen Greifswald geendet“.

Berufungsvorgänge sind neuralgische Punkte im Wissenschaftsbetrieb, an denen die Interaktion mit den zuständigen Ministerien besonders intensiv und bisweilen brisant ist. Die beiden erwähnten Berufungen von Wilamowitz sind dank ihrer genauen Erforschung, insbesondere durch Calder, auch verhältnismäßig leicht zugänglich, und die Lektüre der von Calder und Košenina edierten Briefe des Gelehrten an Althoff verleiht dem Nachvollzug dieser Vorgänge obendrein eine persönliche Färbung.

Seine erste Professur bekleidete Wilamowitz seit 1876 im pommerschen Greifswald – an einer Universität, die gut für den Start einer Laufbahn war, aber einem Mann seines Formats auf Dauer nicht genügen konnte. Der 1883 ausgesprochene Ruf an die regsame Universität Göttingen kam ihm da sehr entgegen. Lange Zeit – nach seinen Erinnerungen (1928) auch von Wilamowitz selbst – war angenommen worden, dass der dortige Professor Hermann Sauppe von sich aus die Berufung initiiert hätte, und in der Tat hatte dieser im April 1883 auch ein entsprechendes Schreiben an Wilamowitz gerichtet. 1985 aber fand Calder heraus, dass im Hintergrund Althoff die Fäden gezogen hatte. Der Althistoriker Theodor Mommsen, Wilamowitz’ Schwiegervater, gehörte schon zu Althoffs Beraterkreis; als Verwandter konnte er in dieser Sache nicht direkt aktiv werden, doch er konnte seinen Freund Sauppe zum Handeln veranlassen. Den Göttinger Dekan Paul de Lagarde, einen Gegner Mommsens, manövrierte Althoff diplomatisch aus; schließlich sah sich Lagarde veranlasst, eine Berufungsliste einzureichen, auf der Wilamowitz zwar nur an dritter Stelle stand, die aber insgesamt so gestaltet war, dass die Philosophische Fakultät am Ende gerade für ihn votieren musste.

Spätestens um die Mitte der 1890er Jahre dachte Althoff daran, Wilamowitz nach Berlin zu bringen. Die Absicht der Schwerpunktbildung war unverkennbar, denn Wilamowitz’ Studienfreund Hermann Diels, gleichfalls ein Gräzist von hohen Graden, war bereits seit 1886 Ordinarius an der Berliner Universität. An der Friedrich-Wilhelms-Universität hatten in den Altertumswissenschaften drei ältere Professoren das Sagen: Ernst Curtius, Adolf Kirchhoff und Johannes Vahlen; alle drei verhielten sich – wohl vor allem aus Konkurrenzfurcht – gegenüber dem bedeutend jüngeren Wilamowitz skeptisch bis feindselig. Ein freies Ordinariat stand ohnehin nicht zur Verfügung. Also musste für Wilamowitz eine neue Professur eingerichtet werden, und zwar mit einem solchen Profil, dass die drei Platzhirsche der Altertumswissenschaft sie nicht als ernstzunehmende Konkurrenz betrachten würden. Entsprechend entwarf Althoff in Abstimmung mit Diels im November 1895 ein vom Kultusminister zu unterzeichnendes Schreiben an die Berliner Philosophische Fakultät: „Es ist meine Absicht, die philologischen Kräfte pp. durch die Berufung eines Ordinarius zu verstärken, der die Alterthumsstudien in möglichst weitem Umfange beherrscht. Es leitet mich dabei besonders der Wunsch, diese Wissenschaft an der hiesigen Universität auch in Vorlesungen vertreten zu sehn, welche auf weitere Kreise der Studentenschaft berechnet und dadurch geeignet sind, das Interesse am Alterthum auch bei Fernstehenden neu zu beleben“. Althoffs daran geknüpfte Bitte, geeignete Persönlichkeiten vorzuschlagen, erläuterte Calder sarkastisch: „Es war der alte Trick, einen Lehrstuhl in solch einer Weise anzukündigen, daß nur eine Person tatsächlich die Anforderungen erfüllen konnte“.

Die Rechnung wäre vermutlich aufgegangen, hätte nicht Wilamowitz, dem der beabsichtigte Brief an die Fakultät von Althoff vorab unterbreitet worden war, empört protestiert: Ein offenkundig vom Ministerium allein auf seine Person zugeschnittener Lehrstuhl widersprach dem empfindlichen Ehrgefühl des preußischen Adligen. So wurde das Schreiben gar nicht erst abgeschickt, und der Vorstoß verlief im Sande. Indes war Althoff nicht der Mann, der beim ersten Scheitern klein beigegeben hätte. Bald kam ihm ein Zufall zu Hilfe; Curtius starb im Juli 1896, die Errichtung eines neuen Lehrstuhls eigens für Wilamowitz erübrigte sich. Den immer noch möglichen Widerstand von Kirchhoff und Vahlen schaltete Althoff vorbeugend durch eine listige Volte aus, die viel mehr war als nur ein taktischer Trick. Die beiden Senioren behielten bis zu ihrem Lebensende (1908 bzw. 1911) ihr Philologisches Seminar, und Wilamowitz kam ihnen dort in keiner Weise in die Quere, weil für ihn und Diels ein ganz neues Institut für Altertumskunde geschaffen wurde. Diese Lösung begeisterte die Fakultät so sehr, dass sie von sich aus Wilamowitz als ihren einzigen Wunschkandidaten für die Neubesetzung des ehemals Curtiusschen Lehrstuhls in Vorschlag brachte.

Das für ihn und Diels geschaffene Institut war etwas ganz Neuartiges: die Keimzelle einer Institution zur komplexen Untersuchung und Darstellung der Antike, in der Philologie, Geschichte, Archäologie und weitere Spezialgebiete zusammenwirken sollten. Die beiden von Althoff vermittelten Berufungen, die Wilamowitz schließlich in diese Position gebracht hatten, sind aufschlussreiche Exempel für das personalpolitische Vorgehen des Ministerialbeamten. Wenn es unbedingt sein musste, stellte er sich auch gegen den Willen der Fakultäten. Der Konflikt aber war die Ausnahme – der Regelfall war die diskrete, weit im Vorfeld einsetzende und Konflikte vermeidende Einflussnahme auf die Meinungsbildung der maßgebenden Ordinarien. So konnte Wilamowitz in seinen Erinnerungen über Althoff knapp und deutlich schreiben: „In den Universitäten und Fakultäten standen ihm Selbstverwaltungskörper gegenüber. Das verbreitete Gerede, daß er die Selbstverwaltung mißachtet hätte, ist grundfalsch“.

Hubert Laitko

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