In Preußen kamen, solange die Monarchie bestand, die Minister gewöhnlich aus dem Adel. So war es üblich, aber nicht in jedem Fall zwingend. Das wilhelminische Deutschland war kein Feudalstaat mehr, sondern ein monarchisch verfasster Staat des aufsteigenden Bürgertums, in dem der Adel noch relativ starke, aber nicht mehr alleinbestimmende Positionen innehatte. So konnte man auch in den höheren Etagen des Staatsapparates hin und wieder Personen antreffen, die weder aus dem Geburtsadel stammten noch danach trachteten, sich nobilitieren zu lassen und so den „Makel“ ihrer inferioren Herkunft gefällig zu übertünchen.

Da die Bestrebungen, Bildung und Wissenschaft umfassend zu fördern, vorrangig vom Bürgertum getragen wurden, waren die Kultusministerien eher bürgerlich gefärbt als etwa die Justiz- oder gar die Kriegsministerien. In Preußen rekrutierten sich die höheren Kultusbeamten schon seit 1817 überwiegend aus bürgerlichen Kreisen, während die Minister bis 1872 noch durchweg aus dem Adel kamen. Der erste länger amtierende Kultusminister ohne adligen Familienhintergrund war der schlesische Pastorensohn Adalbert Falk, der dem Ministerium von 1872 bis 1879 vorstand.

In der Althoff-Ära trat 1892 abermals ein Bürgerlicher an die Spitze des Ministeriums, der zudem auch nicht wie Falk dem Bildungsbürgertum, sondern gewerblichen Kreisen entstammte: Julius Robert Bosse, in dessen Heimatstadt Quedlinburg heute eine Sekundarschule seinen Namen trägt, war Sohn eines Böttchers und späteren Branntweinbrenners. Er besaß einen ausgeprägten Sinn für soziale Fragen, denn bevor er zum Kultusminister bestellt worden war, hatte er als Direktor der neu geschaffenen sozialpolitischen Abteilung im Reichsministerium des Innern an der Ausarbeitung und Umsetzung der ersten von Bismarck initiierten Arbeiterversicherungsgesetze teilgenommen.

Anders als bei seinen beiden Amtsvorgängern im Kultusministerium sind wertende Urteile von ihm über Althoff oder umgekehrt nicht bekannt. Doch es besteht kein Zweifel, dass Bosse genau wusste, was er an Althoff hatte. Rainer Paetau und Hartwin Spenkuch haben neuerdings gezeigt, dass Althoffs unter Bosse erfolgte Beförderung zum Ministerialdirektor keineswegs eine Routineentscheidung war. Der seit 1873 – und damit neun Jahre länger als Althoff – für die I. Unterrichtsabteilung tätige und sehr ehrgeizige Vortragende Rat Richard Schöne hatte fest damit gerechnet, Nachfolger von de la Croix zu werden. Bosse aber entschied sich in dieser zugespitzten Konkurrenzsituation klar für Althoff; Schöne wurde mit etwas mehr Spielraum in der Unterabteilung Kunst und dem Titel eines Wirklichen Geheimen Rates abgefunden.

Von allen seinen Ministern am nächsten stand Althoff unzweifelhaft der nur ein Jahr ältere Heinrich Konrad (von) Studt, der 1899 Bosse ablöste. Beide waren seit ihren Studententagen befreundet und hatten über die Zeit hinweg gelegentlich Briefe gewechselt. In einem dieser Briefe, aus dem Jahre 1887, schilderte Studt, der damals Unterstaatssekretär für das „Reichsland“ Elsass-Lothringen war, Althoff die Situation in Straßburg, das dieser fünf Jahre zuvor verlassen hatte: „Ich vermisse schmerzlich das feste Gefüge des preußischen Beamtentums und die Disziplin desselben. Amtsverschwiegenheit ist hier eine Chimäre; ich bin infolgedessen bis an den Hals zugeknöpft und warte bloß auf die Gelegenheit, wo ich Exempel statuieren kann“.

Der Ton dieses Briefes bezeugt die Vertraulichkeit, die zwischen beiden bestand, aber er bezeugt auch, dass Studt um einiges militanter gesonnen war als Althoff. Letzterer freilich bekam davon kaum etwas zu spüren. Für ihn galt, was Sachse feststellte: „Studt schenkte Althoff rückhaltloses Vertrauen und behelligte ihn selten mit Rücksprachen, was diesem viel Zeit ersparte und daher sehr angenehm war. Althoff sagte von ihm, er habe unter den Ministern am meisten für Preußens Fortentwicklung erreicht, obwohl er nicht reden konnte…“

Während der Ministerjahre Studts verschlechterte sich Althoffs Gesundheitszustand rapide, und er dachte ernsthaft daran, den Dienst zu quittieren. Manches spricht dafür, dass es vor allem die Freundschaft mit Studt gewesen sein dürfte, die ihn noch einige Jahre im Amt hielt. Jedenfalls schrieb er am 20. März 1904, nachdem er eine Beinoperation überstanden hatte, an seine Frau Marie: „Ich habe also zu Exzellenz Studt gesagt, daß ich zu Oktober abgehen wolle. Da er sich aber sehr dagegen sträubt und mich unter Berufung auf unsere alte Freundschaft bittet, noch mit ihm auszuharren, so habe ich mich bereit erklärt, das zu tun, vorausgesetzt, daß ich beliebig lange Urlaub nehmen könnte. Damit ist er einverstanden“. Allerdings fügte es sich so, dass Studt noch vor Althoff seinen Abschied erhielt. Am 25. 6. 1907 teilte er dem Ministerium offiziell mit: „Seine Majestät haben mir den Abschied erteilt. Ich lege meine Amtsgeschäfte nieder und ersuche den stellvertretenden Unterstaatssekretär Ministerialdirektor Dr. Althoff die Stellvertretung bis zur Rückkehr bzw. anderweitigen Bestimmung des zu meinem Nachfolger bestimmten Herrn Dr. Holle, Exzellenz, fortzuführen“. So vermittelte der schwer kranke und erschöpfte Althoff noch den Übergang von Studt zu Ludwig Holle, ehe er selbst Ende August 1907 seinen Abschied einreichte. Zu einer eigentlichen Zusammenarbeit mit dem fünften Minister, den er in seiner ministeriellen Laufbahn erlebte, kam es nicht mehr.

Rückblickend hat Sachse über Althoffs Verhältnis zu seinen Ministern ein ausgewogenes Gesamturteil gefällt: „Althoff war jedem der ihm vorgesetzten Minister unentbehrlich gewesen durch seine unversiegliche Arbeitsfreudigkeit und seine umfassende Personen- und Sachkenntnis. Jeder der Minister konnte aber von seiner Loyalität überzeugt sein. Althoff vertrat den Minister nach außen unbedingt. Aber er trat auch für das, was er für richtig erkannte, unbedingt unter Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit ein“.

Hubert Laitko

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