Dieser kurze Satz hat Wissenschaftsgeschichte gemacht. Der preußische König und deutsche Kaiser Wilhelm II. schrieb ihn am 18. September 1888 auf die gerade von ihm unterzeichnete Urkunde, mit der Adolf Harnack zum Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte an der Theologischen Fakultät der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität ernannt wurde. Mit ihm honorierte er die Standhaftigkeit, mit der Harnack seine theologische Überzeugung gegen den Einspruch des preußischen Evangelischen Oberkirchenrates (EOK) verteidigte. Nach einer königlichen Kabinettsorder aus dem Jahre 1855 hatte der EOK bei der Besetzung theologischer Professuren in Preußen eine Stimme, die nicht übergangen werden konnte. Das Machtwort des Königs krönte eines der personalpolitischen Meisterstücke, mit denen Althoff schon im ersten Jahrzehnt seiner Berliner Wirksamkeit hervortrat.

Schon bald nach seinem Übergang nach Berlin war Althoff auf den streitbaren Senkrechtstarter aus dem Baltikum aufmerksam geworden. Harnack kam aus einer Gelehrtenfamilie in Dorpat (dem heutigen Tartu in Estland) und hatte in Leipzig bereits als Fünfundzwanzigjähriger eine außerordentliche Professur errungen. Es gibt Hinweise darauf, dass Althoff seit 1884 – damals war Harnack bereits Ordinarius an der hessischen Landesuniversität Gießen – plante, den Kirchenhistoriker nach Berlin zu bringen. Das musste indes nicht sofort geschehen. Althoff arbeitete mit langem Atem. Er verstand es, geduldig zu warten, bis sich eine Chance bot, ein von ihm angestrebtes Ziel zwanglos zu erreichen. So geriet er nur selten in die ärgerliche Lage, etwas erzwingen zu müssen.

Zu dieser strategisch angelegten Arbeitsweise gehörte es, das universitäre Umfeld Preußens unter laufender Beobachtung zu halten. So konnte er das Auftreten außergewöhnlicher Begabungen frühzeitig bemerken und seine Dispositionen treffen, um diese, wenn es wünschenswert erschien, auf lange Sicht für Preußen zu gewinnen. Ein solches Ausnahmetalent war Harnack. In zweifacher Hinsicht entsprach er Althoffs Suchkriterien: einmal wegen seines intellektuellen Formats und der enormen Weite seines Horizonts, die er erst in Berlin wirklich ausschreiten konnte; zum andern deshalb, weil er in der evangelischen Theologie eine moderne, in kirchlichen Kreisen hochumstrittene Richtung vertrat. Althoffs Erfolge in der Wissenschaftsförderung sind nicht zuletzt darin begründet, dass er einen feinen Spürsinn für entstehende Wissenschaftsrichtungen besaß, die gerade erst begannen, ihr Erkenntnispotenzial zu entfalten.

Harnacks Vater war als Theologieprofessor in Dorpat ein strenger Vertreter des orthodoxen Luthertums, das auf dem bedingungslosen Glauben an die überlieferten Dogmen der Religion beruhte und jeden Versuch, die dogmatischen Texte unter Berücksichtigung ihres geschichtlichen Entstehungszusammenhangs zu deuten, als Sakrileg abwies. In diesem Geist war Harnack aufgewachsen. Während seiner Leipziger Studien- und Privatdozentenzeit löste er sich, vor allem unter dem Einfluss der Schriften des Göttinger Theologen Albrecht Ritschl, allmählich von dieser Vorstellungswelt und fand zu einer historisch-kritischen Position.

Zweifellos war es eine intellektuelle Gratwanderung, am Offenbarungsanspruch des christlichen Glaubens festzuhalten und dennoch die überkommenen Glaubenstexte einer kritischen Betrachtung zu öffnen. Harnack bewältigte diesen theoretischen Balanceakt auf seine Weise souverän. Einer Verwandten erläuterte er seinen neu gewonnenen Standpunkt so: Der christliche Glaube beruht auf Offenbarung, doch der Christ „muß wissen, was er glaubt“. Das Objekt des Glaubens ist „nicht gegeben, um in frommen Beschauungen und mystischen Kontemplationen bestaunt zu werden“. Das fundamentale wissenschaftliche Dokument dieser Neuorientierung war Harnacks dreibändiges Lehrbuch der Dogmengeschichte, dessen ersten im Dezember 1885 erschienenen Band er in Gießen verfasste. Persönlich bedeutete das für ihn den endgültigen Bruch mit der theologischen Position seines Vaters, dem er zugleich in unerschütterlicher Sohnesliebe verbunden blieb. In seinen wissenschaftlichen Überzeugungen war Harnack kompromisslos – keinerlei verwandtschaftliche oder kollegiale Rücksichtnahme hielt ihn jemals davon ab, einen Standpunkt zu vertreten, den er nach bestem Gewissen für den richtigen hielt.

Mit der Dogmengeschichte hatte Harnack der lutherischen Orthodoxie den Fehdehandschuh hingeworfen, und diese antwortete mit Hindernissen auf seinem Karriereweg. Harnack war bestrebt, die freundlichen, aber für ihn wissenschaftlich zu engen Gießener Verhältnisse wieder zu verlassen. Der Wunsch der Leipziger Theologischen Fakultät, ihn 1885/86 dorthin zu berufen, wäre ihm gewiss entgegengekommen, aber der Ruf scheiterte an einem Gegengutachten des sächsischen Oberkonsistoriums. Da jedoch auch in Marburg eine passende Stelle verfügbar war, sah Althoff nun die Gelegenheit, Harnack nach Preußen zu bekommen. Die Universität Marburg war von vornherein nur als eine Übergangsstation nach Berlin gedacht – so wie auch der Weg über Königsberg nach Berlin als eine weitere Laufbahnvariante für Harnack in Erwägung gezogen worden war.

Der Tod des Berliner Kirchenhistorikers Karl Semisch im April 1888 bot überraschend schnell die Chance für den nächsten Schritt. Die Fakultät sprach sich einstimmig für Harnack aus, doch der EOK stellte sich mit einem im Mai erstatteten ausführlichen Gutachten quer: Harnacks Ansicht zu Wunderfragen – insbesondere zur Jungfrauengeburt, zur Auferstehung und zur Himmelfahrt Jesu – sei bedenklich. Im Zusammenwirken mit dem Berliner Theologen Bernhard Weiß, der seit 1880 im Kultusministerium als Vortragender Rat mit theologischen Berufungsangelegenheiten befasst war, beschaffte Althoff Gutachten aus der Feder unzweifelhaft konservativer Theologen, die sich sämtlich für Harnack aussprachen. Über Minister Goßler gelangte die Angelegenheit bis in das Staatsministerium. Fürst Bismarck selbst erklärte, die Regierung könne sich nicht unter die Vormundschaft des EOK stellen. Nachdem dieser, von Wilhelm II. zu einer erneuten Stellungnahme aufgefordert, nach monatelangem Zögern bei seinem Nein blieb, setzte sich der Monarch schließlich über alle Bedenken der Kleriker hinweg.

Es war eine seiner ersten Entscheidungen, nachdem er im „Dreikaiserjahr“ 1888 den Thron bestiegen hatte. Den Satz von den Muckern, die er nicht wolle, schrieb er im Manöverquartier Müncheberg nieder. Ein bezeichnendes Detail – offensichtlich war es seine Absicht, gleich zu Beginn seiner Regierungszeit gegenüber der in Preußen ideologisch dominanten lutherischen Orthodoxie Unabhängigkeit des Urteils und Entschlossenheit des Handelns zu demonstrieren. Althoff war am Ziel. Er gewann in Harnack einen unbestechlichen Ratgeber und Vertrauten, der ihm ebenso wenig zum Munde redete, wie er es gegenüber Klerus und Hof tat, und mit dem er zwanzig Jahre lang manchen Coup diskret vorbereitete.

Als Harnack in Berlin eintraf, hatte er alles erreicht, was ein Hochschullehrer normalerweise von seiner Laufbahn erwarten darf. Für ihn aber begann an diesem Punkt erst der eigentliche kometenhafte Aufstieg, der ihn bis in den Olymp des deutschen Wissenschaftssystems führte. Harnack wusste genau, was er Althoff zu danken hatte. Er lohnte es ihm mit unbedingter Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit, und am Ende war er es, der mit seinem geistlichen Wort, gesprochen an Althoffs Grab, den großen Dinslakener aus dieser Welt hinausgeleitete.

Hubert Laitko

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